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Gesetzentwurf Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD)

SoVD-Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) / BT-Drucksache 20/5334

1 Zusammenfassung des Gesetzentwurfes 

In der Koalitionsvereinbarung für die 21. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages vom 7. Dezember 2021 wurde festgelegt, die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) in eine dauerhafte, staatsferne und unabhängige Struktur unter Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen zu überführen. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf soll die UPD entsprechend reformiert werden.

Die UPD soll im Rahmen einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts neu strukturiert sowie verstetigt werden und ihre Tätigkeit zum 1. Januar 2024 aufnehmen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) soll die Stiftung errichten. Neben einem zentral organisierten digitalen und telefonischen Informations- und Beratungsangebot soll die Stiftung auch regional beraten sowie informieren und dazu bundesweit Informations- und Beratungsangebote vorhalten. Geschäftsführendes Organ der Stiftung soll ein Stiftungsvorstand sein, bestehend aus zwei natürlichen Personen. Ihm obliegt die nähere Ausgestaltung des Beratungs- und Informationsangebotes. Der begleitende und unterstützende Stiftungsrat soll sich aus Vertreter*innen von Patientenorganisationen, Mitgliedern des Deutschen Bundestages, Regierungs- sowie Kassenvertreter*innen zusammensetzen. Dem Stiftungsrat obliegt eine Kontroll- und Unterstützungsfunktion des Stiftungsvorstandes. Ein wissenschaftlicher Beirat berät die Stiftungsgremien bei grundsätzlichen Fragen. Zudem ist eine jährliche Evaluation vorgesehen. Die UPD wird seitens des GKV-SV unter Beteiligung der PKV mit jährlich 15 Millionen Euro finanziert und jährlich dynamisiert.  

2 Gesamtbewertung

Der SoVD befürwortet ausdrücklich eine Überführung der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) in eine dauerhafte, staatsferne und unabhängige Struktur unter Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen, wie es auch in der Koalitionsvereinbarung für die 21. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages festgelegt wurde. Nur durch substanziellen Neustart der Patientenberatung in Deutschland kann verloren gegangenes Vertrauen bei den Patient*innen wiedergewonnen und die Patientenberatung gestärkt werden. Keinesfalls sollte bei Finanzierung, Organisation und Ausgestaltung wesentlich auf die Strukturen zurückgegriffen werden, die zuletzt mit der Übernahme der Beratungstätigkeit durch den Gesundheitsdienstleister Sanvartis bestanden. 

Rechtsform

Eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts (§ 65b Absatz 1 SGB V NEU) ist als Organisationsform geeignet. Stiftungen genießen mit ihrer Zweck- und Zielbindung sowie (vornehmlich) als eine auf Dauer angelegte Errichtung eine hohe Glaubwürdigkeit und Beständigkeit in der Öffentlichkeit. Indes ist die Errichtung der Stiftung durch den GKV-SV keinesfalls ein Zeichen für einen substanziellen Neustart der UPD und eine angestrebte Unabhängigkeit. Alternativ zur Stiftungsgründung über den GKV-SV halten wir eine Errichtung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) für denkbar und zielführender.

Gemeinsam mit dem SoVD und dem Sozialverband VdK Deutschland hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) im März 2022 zudem einen Vorschlag für einen Gesetzentwurf zur strukturellen Neuaufstellung der UPD in einer Stiftung bürgerlichen Rechts unter der Trägerschaft beratungsleistungserbringender Patientenorganisationen vorgelegt. Für eine patientenorientierte Ausgestaltung der neuen UPD sind die beteiligten Patientenorganisationen an dem Gestaltungsprozess der Stiftungssatzung zu beteiligen.  

Aufgaben der Stiftung

Soweit die Stiftung ihre Tätigkeit zum 1. Januar 2024 aufnehmen soll, ist es richtig, die Aufgabenfelder der neuen UPD in der Ziel- und Zweckbestimmung auf die Kernaufgaben der Patientenberatung zu fokussieren (§ 65b Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB V - NEU). Perspektivisch sind hinzukommende Aufgabenfelder denkbar, wie etwa eine Ausweitung des Beratungsumfanges oder die Zusammenführung der Patientenberatung des SGB V und der Pflegeberatung des SGB XI. Natürlich würde die Übernahme weiterer Aufgaben auch weitere Finanzmittel erfordern.  

Ausgestaltung des Beratungs- und Informationsangebotes

Vor dem Hintergrund seiner langjährigen Erfahrung in der Patient*innenberatung und der Mitträgerschaft der UPD bis 2015 weiß der SoVD, dass die Beratungsanliegen und -bedarfe der Ratsuchenden sehr unterschiedlich sind, von der einfachen Information bis hin zur psychosozialen Begleitung in komplexen Krankheits- und Lebenssituationen. Das muss auch beim Zugang zum Beratungs- und Informationsangebot berücksichtigt werden.

Wir nehmen positiv wahr, dass der Gesetzentwurf in § 65 b Abs. 2 Satz 1 NEU nunmehr regionale Informations- und Beratungsangebote (zumindest) gleichwertig neben einem bundesweit zentral organisierten, digitalen und telefonischen Informations- und Beratungsangebot zur Erfüllung des Stiftungszweckes nennt. Denn eine angestrebte Stärkung der regionalen Beratung und Information vor Ort ist unerlässlich und zentraler Ausdruck einer patientenorientierten UPD. Hierzu sind geeignete Beratungs- und Informationsstellen in Form von regionalen Beratungszentren zu schaffen und zu etablieren, um insbesondere dem Informations- und Beratungsbedürfnis vulnerabler Gruppen Rechnung zu tragen. Eine niedrigschwellige, bürgernahe und nicht zuletzt barrierefreie Beratung sowie Informationen der Patient*innen sind für den SoVD als Mitglied des Sprecherrates des Deutschen Behindertenrates (DBR) elementar.

Gleichwohl wird (weiterhin) ein bundesweit, zentral organisiertes Beratungsangebot per Telefon und unter Bezugnahme digitaler Lösungen notwendig sein. Gleichzeitig sollte das digitale Angebot der UPD ausgebaut und mit den qualitätsgesicherten Gesundheitsinformationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) verknüpft werden. Um allen Anliegen der Patient*innen gerecht werden, muss die UPD-Beratung mit juristischer, medizinischer und sozialpsychologischer sowie pädagogischer Expertise interdisziplinär aufgestellt sein. 

Organe der Stiftung

Für einen Neuanfang der UPD braucht es eine zivilgesellschaftlich getragene UPD. Dies ist durch die zentrale Einbindung von Patientenorganisationen in die Ausgestaltung der Beratungs- und Informationstätigkeit zu erreichen. Sie sind die „Stimme der Patient*innen“ und sind als solche angemessen zu beteiligen. 

Stiftungsvorstand (§ 65b Absatz 4 und 5 SGB V NEU)

Der Entwurf sieht die Ausgestaltung eines geschäftsführenden Stiftungsvorstandes vor, bestehend aus zwei natürlichen Personen, die auf einvernehmlichen Vorschlag der maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140 f SGB V vom Stiftungsrat bestellt und abberufen werden (§ 65b Abs. 4 Satz 1 und 4 SGB V NEU). Das ist eine Fehlkonstruktion.

Für eine notwendige, zivilgesellschaftlich getragene UPD sind keine natürlichen Personen, sondern Patientenverbände als juristische Personen als Mitglieder im Stiftungsvorstand zu benennen. Dabei ist es unabdingbar, dass dem Stiftungsvorstand zur strategischen Leitung der Stiftung jene Patientenorganisationen angehören, die die institutionelle und qualitativ gesicherte Patientenberatung durchführen und selbst verantworten. Notwendig sind schlanke Entscheidungsstrukturen, die eine effiziente Steuerung und Leitung der Organisation ermöglichen.

Schlanke Strukturen und eine Fokussierung auf die sich mit institutioneller Patientenberatung beschäftigen Patientenorganisationen stehen einer engen Kooperation mit den Patienten- und Selbsthilfeorganisationen, die nicht selbst in der Patient*innenberatung aktiv sind, keinesfalls entgegen. Vielmehr ist uns als SoVD eine enge Kooperation wichtig. Die patientenberatungserfahrenen Sozialverbände SoVD und VdK sind selbst soziale, humanitäre und sozialpolitische Selbsthilfeorganisationen. Sie sind zugleich die beiden größten Patienten- und Behindertenverbände der Bundesrepublik, vertreten rund zwei Millionen Menschen mit amtlich festgestellter Behinderung und sind Sprecherratsmitglieder des Deutschen Behindertenrates (DBR).

Als reines Aktionsbündnis der maßgeblichen Verbände chronisch kranker und behinderter Menschen versteht sich der DBR als Plattform gemeinsamen Handelns und des Erfahrungsaustausches. Der DBR ist kein Dachverband und besitzt damit kein generelles Vertretungsmandat. Die Außenvertretung und Repräsentation des DBR auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene obliegen dem Sprecherrat. Aus diesem Grund nimmt seit 2004 der SoVD mit den weiteren Mitgliedern des Sprecherrates des DBR etwa den gesetzlichen Auftrag der Patientenvertretung auf Basis des § 140f SGB V für den DBR in den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen wahr. Zum anderen kann eine unabdingbare und wertvolle Zusammenarbeit mit weiteren nicht beratungsleistungserbringenden Patienten- und Selbsthilfeorganisationen durch eine organisatorische und mit beratender Beteiligung gewahrt und gewährleistet werden.

Ähnlich der Verordnung zur Beteiligung von Interessenvertretungen von Patientinnen und Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung (Patientenbeteiligungsverordnung - PatBeteiligungsV) regt der SoVD vor diesem Hintergrund eine neue Patientenberatungsbeteiligungsverordnung (PatBeratungsV) an, mit dem Zweck, anhand eines normierten Anforderungsprofils Patientenorganisationen namentlich zu benennen, die maßgeblich anerkannt sind, die Patientenberatung (gemeinsam) durchzuführen und zu verantworten. Mindestvoraussetzung und Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung ist eine mehrjährige Erfahrung der Organisationen in der Information und Beratung von Patient*innen in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen.

Für weitere Anforderungen kann § 1 der Verordnung zur Beteiligung von Interessenvertretungen von Patientinnen und Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung (Patientenbeteiligungsverordnung - PatBeteiligungsV) weitestgehend als Vorlage dienen. Eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage für die Verordnung ist in § 65b SGB V (NEU) aufzunehmen. Bei der Übernahme von Patientenberatungstätigkeiten für die neue UPD in nicht unerheblichen Umfang durch eine der in Patientenberatungsbeteiligungsverordnung anerkannten Organisationen, muss deren Beteiligung im obersten Organ der Stiftung, dem Stiftungsvorstand, sichergestellt sein.

SoVD (als Mitglied des Verbundes unabhängiger Patientenberatung e.V. – VuP), VdK, vzbv und die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen (BAG-P) sind ehemalige Träger des Modellverbundes und Gesellschafter der im Jahr 2006 gegründeten Unabhängigen Patientenberatung Deutschland UPD gemeinnützige GmbH. Beide Sozialverbände sowie der vzbv und die BAG-P bringen die essenziellen und wertvollen Erfahrungen aus der ehemaligen Patientenberatung der UPD, aber auch aus der jahrzehntelangen sozialrechtlichen Mitgliederberatung, mit. Dieses Erfahrungswissen sowie die bereits bundesweit vorhandenen Strukturen der vorgenannten Beratungsorganisationen vor Ort sollten durch entsprechend angemessene Beteiligung in der neuen UPD genutzt werden.   SoVD und VdK sowie vzbv und BAG-P haben sich bereit erklärt, durch patientenorientierte Beratung und Information die UPD wieder in zivilgesellschaftlicher Trägerschaft zu führen und Verantwortung zu übernehmen. 

Stiftungsrat (§ 65b Absatz 6 SGB V NEU)

Der erkennbare Wille des Gesetzgebers, das Stimmengewicht der Patientenorganisationen im Stiftungsrat – im Vergleich zum Referentenentwurf – zu stärken, hat der SoVD überaus positiv wahrgenommen. Damit jedoch alle nach § 140f SGB V auf Bundesebene maßgeblich beteiligten Patientenorganisationen im Stiftungsrat vertreten sind, ist es notwendig, dass diese sieben Organisationen für die Belange von Patient*innen dem Stiftungsrat angehören. Sie vertreten seit fast 20 Jahren die Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene in den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung des deutschen Gesundheitswesens. Ihnen muss in den Gremien der neuen Stiftung als „Stimme der Patient*innen“ ein starkes Stimmgewicht gegenüber den übrigen angedachten Vertreter*innen zukommen.

Weiterhin darf die Beteiligung von Vertreter*innen der gemeinsamen Selbstverwaltung, des Deutschen Bundestages sowie der Bundesregierung nicht die Gesamtzahl der stimmberechtigten Patientenorganisationen überschreiten, da sonst eine – im Koalitionsvertrag vereinbarte – staatsferne Struktur nicht gewährleistet wäre. In diesem Zusammenhang regen wir eine Einbindung der Vertreter*innen der Bundesministerien im Stiftungsrat mit beratender Stimme ohne Stimmrecht an.

Wissenschaftlicher Beirat und Evaluation (§ 65b Absatz 9 und 10 SGB V NEU)

Die qualitätsgesicherte Information und Beratung in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen mit dem Ziel, die Gesundheitskompetenz der Patient*innen und die Patientenorientierung im Gesundheitswesen zu stärken und Problemlagen im Gesundheitssystem aufzuzeigen, ist ein fortwährender Prozess, der zur Weiterentwicklung und Qualitätssicherung zurecht wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden muss. Diesbezüglich empfehlen wir eine „regelmäßige“ statt einer „jährlichen“ Evaluation. Wichtig sind verbindliche auswertende Berichte, während eine – kostenträchtige – Evaluation in wesentlich größeren Abständen zielführender wäre. 

Finanzierung und Beteiligung der Kostenträger (§ 65b Absatz 8 u. 11 SGB V NEU)

Als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sollte die UPD aus Steuermitteln finanziert werden. Nur so kann eine echte Unabhängigkeit der UPD von wirtschaftlichen und sonstigen Interessen Dritter oder eine entsprechende Einflussnahme auf die Stiftungsarbeit ausgeschlossen werden. Eine Finanzierung seitens des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und der privaten Krankenversicherungsunternehmen ist vor diesem Hintergrund mit erheblichen Bedenken verbunden.

Oftmals sind die Krankenkassen selbst Gegenstand der Beratung. Ein Stimmrecht der Kassen im Stiftungsrat hätte daher einen besorgniserregenden Einfluss auf Inhalt und Umfang der gesamten Tätigkeit der Stiftung. Daran vermag auch der normative Ausschluss der Einflussnahme der Krankenkassen als Kostenträger nichts ändern. Dies gilt insbesondere, wenn den Vertreter*innen der Kassen als Kostenträger – wie im Gesetzentwurf vorgesehen – ein Stimmrecht (wenn auch formal begrenzt) bei Entscheidungen über die Haushaltsaufstellung, die Kontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie die Rechnungslegung zuerkannt wird. Denn es bleibt durch diese Kontroll- und Prüfbefugnis – mittelbar weiterhin – bei der Möglichkeit der umfassenden Einflussnahme. Dies lehnt der SoVD entschieden ab.

Die Höhe der notwendigen Finanzmittel richtet sich nach dem Umfang des gesetzlichen Auftrages, dem Stiftungszweck und den Stiftungszielen. Das künftig höher veranschlagte Finanzvolumen der neuen UPD ist positiv. Um eine Verstetigung zu gewährleisten, muss das Finanzvolumen jährlich dynamisiert werden. Der SoVD begrüßt die vorgesehene jährliche Anpassung der Finanzmittel an die prozentuale Veränderung der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB V. Soweit die Stiftung ihre Tätigkeit zum 1. Januar 2024 aufnehmen soll, ist eine Anschubfinanzierung bereits für das Jahr 2023 unerlässlich, um notwendige Stiftungs- und Beratungsstrukturen zu schaffen, um fristgerecht zum Starttermin das Beratungs- und Informationsangebot bereitstellen zu können.  

Berlin, 27. Februar 2023
DER BUNDESVORSTAND 
Abteilung Sozialpolitik